Verbales Aikido und Schlagfertigkeit
Zwei Dinge, die sich ausschließen?
Als Verbaler Aikidoka liegt es uns in der Absicht, das Gegenüber nach einer erfolgreichen Destabilisierung, wieder in einen positiven, harmonischen Zustand zu bringen. In diesem Zusammenhang, haben wir schon an vielen Stellen diesen Zustand als sog. „Aiki-Zustand“ beschrieben. Ein verbaler Aikidoka möchte diesen Aiki-Zustand bewusst und absichtlich herzustellen und die kommunikative Auseinandersetzung in eine für beide Parteien zielführende Richtung lenken.
An dieser Stelle ist kein Platz für einen möglichen Gesichtsverlust einer Partei und deshalb sollten wir, als Anwender einer gewaltfreien Dialogtechnik, mit dem Begriff der Schlagfertigkeit, sehr differenziert umgehen. Schlagfertigkeit kann in seiner Anwendung durchaus beim Gegenüber Schaden anrichten, der im Sinne einer wertschätzenden Gesprächstechnik nicht gewollt ist.
Definition
Wenn wir unseren Freund Wikipedia bemühen um eine genauere Begriffsbestimmung des Begriffes „Schlagfertigkeit“ zu erfahren, erhalten wir folgende Definition:
„Als Schlagfertigkeit bezeichnet man die „entwaffnende“ Reaktion auf sprachliche „Angriffe“. Sie verrät Intelligenz und Geistesgegenwart.“ (Quelle: Wikipedia)
Wir finden an dieser Stelle den Begriff der „Entwaffnung“ und sind uns damit der Natur der Schlagfertigkeit schon sehr nahe. Es scheint dort eine Art Kampf innewohnend zu sein, dem es gilt entgegen zu treten? In der Praxis, kann der Anwendung der Schlagfertigkeit durchaus eine Geisteshaltung zu Grund liegen, bei der davon ausgegangen wird, dass das eigene Weltbild „besser“ sei, als das des Gegenübers. Ich möchte damit nicht zu Ausdruck bringen, dass wir uns allen provokativen Kommunikationssituationen, sei es im Beruf oder im Privaten, wehrlos entgegenstellen und damit die Weltbilder des Gegenübers vorbehaltlos akzeptieren sollten. Die Auseinandersetzung, die uns jedoch wie auf dem Silbertablett herangetragen wird, hat in der Regel ein Vorher und Nachher. Die Person die stichelt, verfügt durchaus über einen für ihn validen Grund, dies so zu tun. Der „wahre“ Grund, eine solche Auseinandersetzung anzustacheln, finden wir dann oft in der mangelenden Beziehungsebene versteckt und jegliche Schlagfertigkeit behandelt hier lediglich das Symptom und nicht die Ursache. Wenn wir stetig mit einer kernigen Replik „gewinnen“, kann es sein, dass wir damit Beziehungen zerstören, was sich im Endeffekt als nicht zielführend herausstellen kann.
Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen! Auf keinen Fall. Das schließt auch hierarchisch höher gestellte Personen mit ein. Nur, wie widersprechen wir gekonnt mit einer Prise Eleganz? Für meine Begriffe, sollte die Schlagfertigkeit des Verbalen Aikidoka, stets angemessen der Person gegenüber sein, gegen die man in den verbalen Austausch geht.
Die Schlagfertigkeit des Verbalen Aikido ist wertschätzend und lässt eben nicht das Gegenüber sein Gesicht verlieren.
Historische Beispiele von ausgewiesener Schlagfertigkeit existieren zu Hauf im Netz. Schauen wir uns Schauen wir uns einmal Beispiele eines Staatsmannes an, der in dieser Beziehung eine große Berühmtheit erlangt hat: Mister Sir Winston Churchill. Folgende Gesprächsbeispiele stellen jedoch KEINE Blaupause für eine wertschätzende und zielführende Dialogtechnik dar.
Schlagfertigkeit, die ein Verbaler Aikido zu vermeiden versucht
Eine Lady kam einst auf Winston Churchill zu und sagte:
„Mister Churchill, wenn sie mein Mann wären, würde ich ihren Tee vergiften.“
Darauf sagte Churchill:
„Und wenn ich ihr Mann wäre, würde ich ihn trinken.“
Eine Frau sagte anlässlich einer Party mit anklagendem Ton zu Churchill:
„Herr Churchill, sie sind betrunken!“
Churchill antwortete:
„Und sie, meine liebe Frau, sind hässlich. Morgen aber bin ICH wieder nüchtern.“
Obwohl diese Beispiele keine Empfehlung für die Sprachwahl eines versierten verbalen Aikidoka sind, kann man bei genauer Betrachtung, doch ein interessantes Sprachmuster entdecken. Die Person, die antwortet (hier also Churchill), hat geschickt das aktive Zuhören eingesetzt und wenn man sich den Gesprächsverlauf noch genauer anschaut, dann wird man bemerken, dass im ersten Beispiel, Churchill eine gewisse Form des IRIMI zur Anwendung brachte.
Loriot lässt grüßen
Wir brauchen Gott sei Dank nicht zwingend den Witz und die geistreichen Antworten von Churchill uns anzueignen, um uns in unserem kommunikativen Alltag besser durchsetzen zu können. Ein Prise Loriot reicht aus! Ich selbst bin ein riesen Loriot Fan und wenn man sich seine Filme und Bücher genau anschaut, dann wird man bemerken, dass Loriot ein ausgewiesener Verbaler Aikidoka war. Die Antwort, die ich im folgenden Beispiel anführe, könnte direkt aus der Feder dieses überragenden Schriftstellers gekommen sein.
Ich möchte den Lesern eine sehr einfache (und damit auch geniale) Antwortmöglichkeit zeigen, die ab sofort jeder in seinen täglichen Sprachgebrauch integrieren kann. Folgende Szene spielte sich in der Vorstandsetage eines multinationalen Konzerns ab:
Der weibliche Vizepräsident (kurze Anmerkung: Die Frau war zu diesem Zeitpunkt die einzige weibliche Vizepräsidentin im Konzern) betrat das Boardmeeting und als sie in den Raum hineinkam, rief der CEO laut in die Runde: „Ihr Haare sehen ja heute wie die Hölle aus.“ Anstelle sich an dieser Stelle auf ein Streitgespräch einzulassen oder die Bemerkung einfach zu ignorieren, antwortete die Vizepräsidentin rhetorisch kurz und knapp mit: „Ach“ und setzte sich auf ihren Stuhl.
Abgesehen davon, dass sich die Frau absolut darüber bewusst war, dass an diesem Tag ihre Haare wirklich toll aussahen, gelang es ihr hinter diesem Ausspruch, die wahre Absicht des Senders zu entdecken. Im Kern ging es nicht um ihre Haare. Da war ein Mann am Werk, der sich behaupten und wie ein kleines Kind im Sandkasten spielen wollte. Er wollte eine Reaktion seiner Kollegin provozieren – das war alles.
„Ach“ – setzte Loriot in seinen Sketchen oft ein. Entweder war die Vizepräsidentin auch ein Loriot-Fan oder sie war Teilnehmerin in meinen Trainings 🙂
Viele Bemerkungen die uns tagtäglich entgegen geschleudert werden, sind es nicht wert, dass man darauf mit mehr als einem „Ach“ reagiert.
In solchen Situationen können neben dem „Ach“ auch rhetorische Sätze wie etwa: „Ja, wirklich?“, zur Anwendung kommen. (Natürlich begleitet von einem starken INNERN LÄCHELN, welches eine zusätzliche Souveränität verleiht, die Situation zielführend zu Ende zu bringen.)
Mögliche Antworten auf Beleidigungen – derer gibt es viele. Das kann eine ganz schön faszinierende Welt sein. Eine Welt, aus der ich im Folgenden eine konkrete Antworttechnik vorstellen möchte.
Die Umkehr-Technik
Die Technik der Umkehrung ist eine einfache und effektive Methode, die gerade dem Verbalen Aikido Anfänger, die Nutzung von Antonymen, als sehr effizientes Reaktionsmittel aufzeigt. Die Wahrnehmung des Angreifers wird mit nur einer Frage von einem negativen Aspekt in Richtung des positiven abgelenkt. Wie geht das? Hier ein paar Beispiele.
Angreifer: „Du bist hässlich!“
Aikidoka: (Innere Lächeln)“Und dir würde es bessergehen, wenn ich ein Top-Modell wäre?“
Angreifer:“Dein Haarstyling ist ja wie aus der Hölle heute!“
Aikidoka: (Innere Lächeln) „Du würdest bevorzugen, dass es vom Himmel kommen würde?“
Angreifer:“Du bist ja ein dreckiger Franzose!“
Aikidoka: (Innere Lächeln) „Dir ist also lieber, dass ich ein sauberer Franzose wäre?“
Bitte beachten:
Diese Technik ist einfach umzusetzen und praktisch von jedem schnell anzuwenden. Um diese Technik nicht als puren Gegenangriff wirken zu lassen, ist ein ehrliches Interesse an den wahren Beweggründen des Angreifers von Nöten. Natürlich mag es sein, dass der Angriff mit dem einmaligen Einsatz dieser Technik nicht endgültig abgewehrt ist. Oftmals ist jedoch der Angreifer dadurch so destabilisiert, dass der Verbale Aikidoka das Gespräch in Richtung Aiki-Zustand sinnvoll weiterführen kann.
Dem Leser ist sicherlich aufgefallen, dass diese Technik im Kern aus der einfachen Antwort besteht: „Dir wäre es also lieber, dass…“ gefolgt von dem Gegenteil der vom Angreifer gemachten Aussage. Und selbst wenn dir auf die Schnelle kein passendes Antonym einfallen sollte (Was eine Frage der Übung sicherlich ist), entgegne doch mit einer nicht zu Ende geführten Frage, wie z.B. „Du ziehst es also lieber vor, dass ich….“ Hier hebst du deine Stimme am Ende des Satzes an und triggerst auf diese Weise die Antwort des Angreifers an. Eine Technik, die sich manchmal als sogar noch effektiver herausstellen kann.
Gerade Jugendliche können auf diese Weise mit Spaß und Freude, mannigfaltige Reaktionsmöglichkeiten auf verbale Angriffe einüben. Um die Umkehr-Technik als möglichen Antwortreflex bei sich zu etablieren, reicht es oftmals aus, sich Reaktionen auf die verschiedensten Angriffsarten im Vorfeld zu überlegen und aufzuschreiben.
Wie würdest du mit der Umkehr-Technik auf folgende Angriffe reagieren?
Du bist so doof! Deine Antwort?
Du bist hässlich! Deine Antwort?
Du stinkst! Deine Antwort?
Du ziehst dich wie meine Oma an! Deine Antwort?
Du gehst mir total auf die Nerven! Deine Antwort?
Du bist echt ein großes A…loch! Deine Antwort?
Arbeite an dieser Liste weiter und erweitere somit auf wertschätzende Art Deine kommunikative Kompetenz!!
Wenn Du Dir ein Video dazu anschauen willst, dann HIER.
Willst Du den Artikel downloaden:
Fachartikel_Schlagfertigkeit_Verbales_Aikido
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